Flottenmanagement für die Bandscheibe
Saarstahl entdeckt ungeahnte Vorteile für die Intralogistik
Gernot Schmidt ist Betriebsleiter im Bereich Adjustage des Werkes Burbach. In diesem Walzwerk der Saarstahl AG werden Drähte von 4.75 bis 20 Millimetern Durchmesser hergestellt. Von den mehr als eine Million Tonnen Drähte auf 500.000 Coils geht ein Viertel an die Reifenindustrie, die die hohe Qualität des Materials zu schätzen weiß und deshalb schon häufiger mit Auszeichnungen bedacht hat. Die Adjustage übernimmt die fertigen Drähte aus der Walzung und kümmert sich um alle notwendigen Schritte bis zum Versand per Lkw und vor allem per Bahn, die mehr als drei Viertel der fertigen Drähte aus dem Burbacher Werk abtransportiert. Der Adjustage stehen zwölf sogenannte Dornstapler überwiegend von Linde und Still zur Verfügung. Insgesamt sind in Burbach 17 Fahrzeuge mit dem herstellerunabhängigen Flottenmanagementsystem „Mobile Easykey“ ausgestattet. Zum Einsatz kommen dabei die „Mobile Easykey“-Module der Produktreihe „modular“, mit WLAN-Datenübertragung und dem Crash-Sensor-Remote.
Insbesondere bei den Dornstaplern, benannt nach den bis zu drei Meter langen Dornen, mit denen die fertigen Drahtcoils aufgenommen werden, kam es in den letzten Jahren zu einigen schweren Unfällen – glücklicherweise fast immer ohne Personenschäden. Die verursachten Kosten jedoch waren erheblich. Um diese Kosten für Gewaltschäden zu senken, begann Gernot Schmidt ab 2015 mit der Suche zunächst nach einem Fahrerassistenzsystem. Primär sollten darüber Kollisionen der Stapler ausgeschlossen werden. Die Systeme der Staplerhersteller zum Beispiel schieden jedoch sofort aus, aufgrund der mangelnden Kompatibilität untereinander. Insbesondere aber die nicht genormten Ablaufe im Betrieb, die extrem unterschiedlichen Gegebenheiten in den Hallen und Außenbereichen stellen bei Saarstahl in Burbach hohe Anforderungen an die Fahrer und auch an entsprechende Fahrerassistenzsysteme. Keines der Systeme kam seinerzeit infrage.
Sicherheit für Mitarbeiter und für Daten
Egal ob Flottenmanagement-oder Fahrerassistenzsystem, Datenschutz wird bei Saarstahl sehr groß geschrieben. infolgedessen wurden auch alle Systeme verworfen, die Daten in der Cloud speichern. Neben der Speicherung der Daten auf kundeneigenen Servern und den datenschutzfreundlichen Voreinstellungen der Software war der „Crash Sensor“ eines der Hauptargumente, die schließlich die Wahl auf „Mobile Easykey“ fallen ließen. In der Testphase 2017 wurden zunächst drei Stapler ausgestattet und der Crash Sensor der unterschiedlichen Stapler „angelernt“: Die anspruchsvollen Bodenzustände in Innen- und Außenbereichen sowie die verlegten Gleise bedurften einiger Lernfahrten, bis für jeden Staplertyp das optimale Crash Profil angelegt war.
Seit der Einführung von „Mobile Easykey“ und der Crash-Sensorik vor zwei Jahren hat es keinen schweren Unfall mehr gegeben. Die Fahrer sind sensibilisiert und fahren vorsichtiger. Niemand möchte nach einer Crash-Auslösung den Vorgesetzten bitten, dass dieser ihm den Stapler wieder freischaltet. Es rumpelt ordentlich, wenn die Dornstapler mit ihren durchschnittlich zwei Tonnen schweren Drahtcoils über Bahngleise fahren. Dabei kann auch mal ein Crash-Alarm ausgelöst werden. Um das zu vermeiden, drosseln die Fahrer jetzt die Geschwindigkeit an den entsprechenden Stellen. Und somit wirkt sich „Mobile Easykey“ auch positiv auf die Bandscheiben der Mitarbeiter aus. Auch vermeidet es vorzeitige Materialermüdung an den Staplern und erhöht damit deren Lebensdauer.
Test mit Kranen geplant
Aktuell kommt es noch zu durchschnittlich zehn Crash-Alarmen pro Monat – angesichts von 13 Schichten pro Woche und etwa 100 verschiedenen Fahrern eine geringe Zahl. Das Prozedere bei Saarstahl sieht eine Abschaltung nach 20 Sekunden vor, um einen Stapler noch aus einer etwaigen Gefahrenzone zu entfernen. Der Mitarbeiter muss dann den Vorarbeiter oder Meister informieren und den Unfall bzw. den Grund für die Auslösung des Crash Alarms dokumentieren und den Stapler wieder freischalten lassen. Die Freischaltung wird dann per E-Mail an den Betriebsleiter und die beiden Meister versendet. Aus diesen Meldungen können, bei einer Häufung von Alarmen, dann Gespräche mit den betroffenen Fahrern oder auch die Beseitigung von Bodenunebenheiten oder anderen Auslösefaktoren resultieren. Für die Zukunft ist im Werk Völklingen auch ein Test mit Kranen geplant, um mit dem Crash-Sensor von „Mobile Easykey“ Schienenbrüche zu identifizieren. Ebenfalls in Vorbereitung ist die Auslastungsanalyse mit den Tools der „Mobile Easykey“-Software, um die Zahl der Stapler zu optimieren.
Implementierung mit Betriebsrat
Die Einführung von „Mobile Easykey“ wurde von den Mitarbeitern zunächst kritisch beäugt. „Die Fahrer haben sich kontrolliert gefühlt“, so Gernot Schmidt. Nachdem der Betriebsrat das System geprüft und befürwortet hatte, wurden die individuellen Voreinstellungen für Saarstahl vorgenommen. Heute werden zum Beispiel alle personenbezogenen Daten in der Software nach 72 Stunden gelöscht. Und die Berechtigungen in der Software („Wer darf was sehen?“) sind nach strengen Kriterien vergeben worden. Neben Gernot Schmidt haben – mit unterschiedlichen Berechtigungen – Meister, Betriebsleiter und Mitarbeiter der Instandhaltung Zugriff auf das System. Die Fahrer konnte der Betriebsrat seinerzeit überzeugen, dass keine Leistungskontrolle mit „Mobile Easykey“ erfolgen wird.
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Um einen Fehlalarm zu vermeiden, drosseln die Fahrer jetzt die Geschwindigkeit an den entsprechenden Stellen. Das wirkt sich auch positiv auf die Bandscheiben der Mitarbeiter aus.
Insgesamt sind in Burbach 17 Fahrzeuge mit dem herstellerunabhängigen Flottenmanagementsystem „Mobile Easykey“ ausgestattet. Zum Einsatz kommen dabei die „Mobile Easykey“-Module der Produktreihe „modular“, mit WLAN-Datenübertragung und dem Crash-Sensor-Remote.